"Wenn ich die Wahrheit sagen sollte, müßt ich lügen ..."
Das Erich-K.-Vorhaben spielt Lieder von Erich Kästner

Herz

 

Die Texte von Erich Kästner

Ein Mann gibt Auskunft

Das Jahr war schön und wird nicht wiederkehren.
Du wußtest, was ich wollte, stets und gehst.
Ich wünschte zwar, ich könnte dir's erklären,
und wünsche doch, daß du mich nicht verstehst.

Ich riet dir manchmal, dich von mir zu trennen,
und danke dir, daß du bis heute bliebst.
Du kanntest mich und lerntest mich nicht kennen.
Ich hatte Angst vor dir, weil du mich liebst.

Du denkst vielleicht, ich hätte dich betrogen.
Du denkst bestimmt, ich wäre nicht wie einst.
Und dabei habe ich dich nie belogen!
Wenn du auch weinst.

Du zürntest manchmal über meine Kühle.
Ich muß dir sagen: Damals warst du klug.
Ich hatte stets die nämlichen Gefühle.
Sie waren aber niemals stark genug.

Du denkst, das klingt, als wollte ich mich loben
und stünde stolz auf einer Art Podest.
Ich stand nur fern von dir. Ich stand nicht oben.
Du bist mir böse, weil du mich verläßt.

Es gibt auch andre, die wie ich empfinden.
Wir sind um soviel ärmer, als ihr seid.
Wir suchen nicht, wir lassen uns bloß finden.
Wenn wir Euch leiden sehn, packt uns der Neid.

Ihr habt es gut, denn Ihr dürft alles fühlen.
Und wenn Ihr trauert, drückt uns nur der Schuh.
Ach, unsre Seelen sitzen wie auf Stühlen
und sehn der Liebe zu.

Ich hatte furcht vor dir. Du stelltest fragen.
Ich brauchte dich und tat dir doch nur weh.
Du wolltest Antwort. Sollte ich denn sagen:
»Geh!«

Es ist bequem mit Worten zu erklären.
Ich tu es nur, weil du es so verlangst.
Das Jahr war schön und wird nicht wiederkehren.
Und wer kommt nun? Leb wohl! Ich habe Angst.

 

Das Gebet keiner Jungfrau

Ich könnte gleich das Telefon ermorden!
Nun hat er, sagt er, wieder keine Zeit.
Ein ganzer Mensch bin ich nur noch zu zweit.
Ach, eine Hälfte ist aus mir geworden.

Ich glaube fast, er will mich manchmal kränken.
Es schmeichelt ihn vielleicht, daß er es kann.
Wenn ich dann traurig bin, sicht er mich an,
als würde ich ihm etwas Hübsches schenken.

Daß er mich lieb hat, ist höchst unwahrscheinlich.
Ich habe ihn einmal danach gefragt.
Das war im Bett. Und er hat nichts gesagt.
Er gab mir Küsse, denn es war ihm peinlich.

Es wär schon schöner, wenn es schöner wäre
und wenn er mich so liebte, wie ich ihn.
Er liebt mich nicht. Obwohl es erst so schien.
Mein Körper geht bei seinem in die Lehre.

Mama sagt oft, ich möge mich benehmen.
Sie ahnt etwas. Und redet gern von Scham.
Ich wollte alles so, wie alles kam!
Man kann sich doch nicht nur pro forma schämen.

 

Jardin du Luxembourg

Dieser Park liegt dicht beim Paradies.
Und die Blumen blühn, als wüßten sie's.
Kleine Knaben treiben große Reifen.
Kleine Mädchen tragen große Schleifen.
Was sie rufen, läßt sich schwer begreifen.
Denn die Stadt ist fremd. Und heißt Paris.

Alle Leute, auch die ernsten Herrn,
spüren hier: Die Erde ist ein Stern.
Und die Kinder haben hübsche Namen
und sind fast so schön wie auf Reklamen.
Selbst die Steinfiguren, meistens Damen,
lächelten (wenn sie nur dürften) gern.

Lärm und Jubel weht an uns vorbei.
Wie Musik. Und ist doch nur Geschrei.
Bälle hüpfen fort, weil sie erschrecken.
Ein fideles Hündchen läft sich necken.
Kleine Neger müssen sich verstecken,
und die andern sind die Polizei.

Mütter lesen. Oder träumen sie?
Und sie fahren hoch, wenn jemand schrie.
Schlanke Fräuleins kommen auf den Wegen
und sind jung und blicken sehr verlegen
und benommen auf den Kindersegen.
Und dann fürchten sie sich irgendwie.

 

Mathilde, aber eingerahmt

Es lebe das Großreinemachen!
Man findet, wenn man säubert und siebt,
Briefe und Bilder und andere Sachen,
die es eigentlich gar nicht mehr gibt.

Vorgestern hab ich über zwei Stunden
in meinen Schreibtischfächern gekramt.
Ganz unten links hab ich dich gefunden:
Visitformat, schwarz eingerahmt.

Ein Bild von dir mit sieben Jahren.
In einem Kieler Matrosenkleid.
Mit hohen Stiefeln und langen Haaren.
Ich dachte: Gott, vergeht die Zeit.

Als wir uns kannten, ach Mathilde,
warst du bereits dreimal so alt
wie auf dem kleinen alten Bilde
und dientest mir als Aufenthalt.

Ich sah dem Photo in die Augen.
Dein Kinderblick war treu und echt.
Wann fingst du an, nichts mehr zu taugen?
Als wir uns kannten, warst du schlecht.

Als kleines Mädchen gut und milde,
mit zwanzig Jahren ein Stück Mist!
Hast du dich je gefragt, Mathilde,
wie es dazu gekommen ist?

Du lagst mir damals auf der Tasche,
bei andern Herrn lagst du im Bett.
Ich soff den Kognak aus der Flasche
und wurde langsam zum Skelett.

Ich lernte heimlich Scheibeschießen.
Ich lag die Nächte ohne Schlaf.
Es kam zu keinem Blutvergießen.
Du gingst, eh ich ins Schwarze traf.

Auf das, was war, fiel Staub und Puder.
Vorbei. Ich will nichts mehr von dir.
Jedoch dein Kinderbild, du Luder,
das stell ich morgen aufs Klavier.

 

Hotelsolo für eine Männerstimme

Das ist mein Zimmer und ist doch nicht meines.
Zwei Betten stehen Hand in Hand darin.
Zwei Betten sind es. Doch ich brauch nur eines.
Weil ich schon wieder mal alleine bin.

Der Koffer gähnt. Auch mir ist müd zumute.
Du fuhrst zu einem ziemlich andren Mann.
Ich kenn ihn gut. Ich wünsch dir alles Gute.
Und wünsche fast, du kämest niemals an.

Ich hätte dich nicht gehen lassen sollen!
(Nicht meinetwegen. Ich bin gern allein.)
Und doch: Wenn Frauen Fehler machen wollen,
dann soll man ihnen nicht im Wege sein.

Die Welt ist groß. Du wirst dich drin verlaufen.
Wenn du dich nur nicht allzu weit verirrst ...
Ich aber werd mich heute nacht besaufen
und bißchen beten, daß du glücklich wirst.

 

Sachliche Romanze

Als sie einander acht Jahre kannten,
(und man darf sagen, sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei.
und sahen sich an und wußten nicht weiter.
Da weinte sie schließlich und er stand dabei.

Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier
und Zeit, irgendo Kaffee zu trinken. -
Nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend saßen sie immer noch dort.
Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort.
und konnten es einfach nicht fassen.

 

Wiegenlied (väterlicherseits)

Schlaf ein, mein Kind! Schlaf ein, mein Kind!
Man hält uns für Verwandte.
doch ob wir es auch wirklich sind?
Ich weiß es nicht. Schlaf ein, mein Kind!
Mama ist bei der Tante ...

Schlaf ein, mein Kind! Sei still! Schlaf ein!
Man kann nichts Klügres machen.
Ich bin so groß. Du bist so klein.
Wer schlafen kann, darf glücklich sein.
Wer schlafen darf, kann lachen.

Nachts liegt man neben einer Frau,
die sagt: Laß mich in Ruhe.
Sie liebt mich nicht. Sie ist so schlau.
Sie hext mir meine Haare grau.
Wer weiß, was ich noch tue.

Schlaf ein, mein Kind! Mein Kindchen, schlaf!
Du hast nichts zu versäumen.
Man träumt vielleicht, man wär ein Graf.
Man träumt vielleicht, die Frau wär brav.
Es ist so schön, zu träumen ...

Man schuftet, liebt und lebt und frißt
und kann sich nicht erklären,
wozu das alles nötig, ist!
Sie sagt, daß du mir ähnlich bist.
Mag sich zum Teufel scheren!

Der hat es gut, den man nicht weckt.
Wer tot ist, schläft am längsten.
Wer weiß, wo deine Mutter steckt!
Sei ruhig. Hab ich dich erschreckt?
Ich wollte dich nicht ängsten.

Vergiß den Mond! Schlaf ein, mein Kind!
Und laß die Sterne scheinen.
Vergiß auch mich! Vergiß den Wind!
Nun gute Nacht! Schlaf ein, mein Kind!
Und, bitte, laß das Weinen...

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